Das Theater Plauen-Zwickau im Home-Office
Einen wunderschönen guten Tag, wünscht euch euer weißer König! Hier ist nun die aktuelle Zahl von Mittwoch vergangener Woche: Es sind 621 Nachrichten eingegangen.“ Frank aus unserer inklusiven Theatergruppe VOLL normal hat seit vier Wochen eine besondere Aufgabe. Er zählt. Rund 20 Mitglieder der Gruppe treffen sich auf WhatsApp, tauschen Grüße aus und unterhalten sich. Jede Woche gibt es eine kleine Aufgabe. Mit großer Freude wird diese erledigt und zu einem Video zusammengesetzt. Eigentlich sollte am Sonntag, dem 26. April Premiere sein. „Der Weg ins Glück“, so der Titel unseres aktuellen Stückes, scheint ganz schön lang zu werden.
Eine neue Situation
Warten müssen auch die Künstler*innen unseres Hauses. Viele Inszenierungen standen kurz vor der Premiere, als der Lockdown kam. Statt alle zusammen im Theater, heißt es nun: jeder für sich zuhause. Unsere Mitarbeiter*innen melden sich von dort, zeigen Einblicke in ihre Arbeit und in ihr Heim. Balletttraining mit Sofa, singen mit Kuscheltierzoo, fünf Stufen der Trauer eines Schauspielers, OrchestermusikerInnen spielen lieber zusammen als allein, so etwas gab es in der Form vor Corona noch nicht. Neue Einblicke hinter die Kulissen schaffen neue Brücken zum Publikum. Unser Intendant Roland May läuft durchs leere Theater, setzt sich einsam in die Reihen und auf den Platz des Pförtners bevor er erneut informiert, was in dieser Spielzeit nicht mehr stattfinden wird. Die Terminkalender der Mitarbeiter*innen sind eigentlich immer voll. Durch die Schließung des Theaters geraten wir ins Stocken, sind traurig über das, was nicht stattfinden kann, kommen ins Reflektieren, langweilen uns auch mal, machen Pläne, bilden uns vor allem digital fort. Wir gehen neue Wege und das auch analog. Die Clara-Schumann-Philharmoniker Plauen-Zwickau spielen in kleinen Gruppen vor Alters- und Pflegeheimen. Mitarbeiter*innen nähen Mundschutzmasken, unser Produktionsleiter verteilt sie an Einrichtungen. Wir improvisieren und schaffen uns Tätigkeitsfelder. Schauen, was wird gerade gebraucht? Wie können wir helfen?
Mein Kollege zeigt im Video, was ein Theaterpädagoge im Homeoffice macht. Er erlebt selbstverständlich Abenteuer, denn Theaterspielen heißt die eigene Vorstellungskraft zu aktivieren. Dies versuchen wir ebenso mit unseren Clubmitgliedern, verteilen kleine Aufgaben und freuen uns miteinander an den Ergebnissen. Nicht alle sind dabei. Einige tauchen ab. Man sieht sich eben nicht, erlebt die gewohnte Gemeinschaft nur in geringem Maße. Außerdem besuchen wir Webinare, testen neue Tools aus, informieren Schulen und Kitas über die neuen Entwicklungen und bereiten vor – Fortbildungen, Materialien, Förderanträge -, ob sie so zum Einsatz kommen, wissen wir nicht.
Grenzen gibt es auch
Hier gelangen wir an die Grenzen unserer Möglichkeiten. Wir können nicht wirklich planen, weil wir nicht wissen, wann man sich wiedersieht. Die Lust am gemeinsam anwesend Sein ist größer als ein digitales Meeting. Körper und Geist sind im Theater vereint, gern mit Unterstützung digitaler Tools, aber eben nicht nur mit ihnen. Den anderen fühlen, riechen, ihm in die Augen schauen, das ist unersetzbar. Hinzu kommt, dass wir technisch nicht so gut ausgestattet sind, wie man es sein müsste, um die Möglichkeiten des Webs zu entdecken. Heißt: Das Internet ist langsam, der Rechner auch. Als Theaterpädagog*innen machen wir das beste daraus. Mein Kollege schreibt Geschichten vom kleinen Ritter Frix und liest sie mit Unterstützung unserer Freiwilligen Selina vor. Bufdi Elisa unterstützt nach wie vor unsere inklusive Theatergruppe. Jetzt eben per WhatsApp.
Was machen die Freiwilligen?
Und was tun unsere Freiwilligen noch? Sie sind wie wir im Homeoffice. Übernehmen Aufgaben in den Familien, langweilen sich … Lassen wir sie einfach selbst zu Wort kommen:
Selina Ebert (Bundesfreiwillige, Zwickau): „Neben Videokonferenzen, die je nach Internetverbindung mehr oder weniger flüssig ablaufen, gestalte ich den kleinen Ritter Frix und erwecke die Figuren zum Leben. Das reicht nicht aus, um die vielen öden Stunden rumzukriegen. Aus diesem Grund lasse ich meiner Fantasie freien Lauf und verliere mich immer wieder in Projekten, wie dem Bau einer aus Pappröhren bestehenden Minigolf- Anlage oder dem Batiken langweiliger weißer T-Shirts. Sachen, die ich in letzter Zeit aus den Augen verloren hatte, wie das Bauen mit Lego habe ich wieder, das Häkeln von Dreadlocks neu entdeckt.“
Elisa Ender (Bundesfreiwillige Plauen): „Leider befinde ich mich als Bundesfreiwillige des Theaters Plauen-Zwickau zurzeit im Homeoffice. Zwischen Listen und Stückvorbereitungen bleibt mehr als genug Zeit, meinen jüngeren Brüdern bei den Hausaufgaben zu helfen.
Eine Online-Variante für unser Eigenprojekt zu basteln, ist gerade das kreativste, was meine Bufdi-Kollegin Selina und ich machen können. Aber auch hierbei funkt uns die Kontaktbeschränkung dazwischen und das Internet auf dem Dorf erleichtert die Onlinekonferenzen nicht wirklich. Ich freue mich jedenfalls schon wieder sehr darauf von Angesicht zu Angesicht mit jemandem zu sprechen und nicht nur das verpixelte, stockende Videobild vor mir zu haben.“
Um den Bogen zu schließen, geht das Schlusswort an Nancy aus der Gruppe VOLL normal. Sie ist jeden Mittwoch die erste im Chat. Hoffen wir, dass das, was sie dort sagt auch bald wieder im Theater zu hören sein wird: „Was? Es ist schon wieder zu Ende? Schade.“
Wir danken der Theaterpädagogin Steffi Liedtke und ihren KollegInnen für Ihren Bericht für den in puncto 2/2020!
Das LKJ-Team, April/Mai 2020