Im Gespräch mit Dr. Christine Range zu ihrer 24-Jährigen Tätigkeit als Geschäftsführerin der LKJ Sachsen
Seit 1993 bist du Teil der LKJ, davon die meiste Zeit als Geschäftsführerin tätig, wie hat sich der Blick auf die kulturelle Bildung bzw. das Arbeitsfeld in dieser Zeit verändert?
Die LKJ hat in den nunmehr fast 30 Jahren ihrer Existenz ein klares Profil mit klaren Programmstrukturen entwickelt und sich in die programmatischen Debatten der sächsischen Jugendpolitik und zum Konzept der kulturellen Kinder- und Jugendbildung als Dach- und Fachverband mit fundierten fachlichen Positionen klar, kritisch und konstruktiv eingebracht. Seinen Anfang nahm alles 1993 mit der Einrichtung einer Geschäftsstelle mit drei Personalstellen. Mitten in der Zeit des Umbruchs, der Schließung vieler Kultureinrichtungen und Jugendhäuser und der folgenden Arbeitslosigkeit vieler MitarbeiterInnen folgte eine nahezu paradiesische Zeit für die kulturelle Bildung im Zuge des Aufbau-Programms Freie Träger (AFT-Programm). Es entstand eine Vielzahl von Trägerstrukturen, die dank eines finanziell gut ausgestatteten Programms zur Arbeitsbeschaffung (ABM) auch personell gut besetzt waren. Danach sollten sie durch die verantwortlichen Kommunal- und Landesbehörden in eine Regelfinanzierung überführt werden. Die Kommunen standen in der Pflicht, waren dazu aber finanziell nicht oder nicht in erforderlichem Maße in der Lage. Das hat sich bis heute kaum verändert. Das starke Interesse der Vereine und Verbände an der Zusammenarbeit mit Schulen wurde mit dem Verweis auf die Aufgaben der Jugendhilfe leider nicht positiv bewertet, was 1999 mit dem Wechsel der Zuständigkeit für die kulturelle Jugendbildung vom Kultus- ins Sozialministerium noch einmal sehr deutlich wurde. Die LKJ und ihre Mitgliedsverbände sahen sich seit Mitte der 90er Jahre einem zunehmenden Rechtfertigungs- und Legitimationszwang ausgesetzt, weil das Landesjugendamt als zuständige Behörde die kulturelle Arbeit von und mit Kindern und Jugendlichen nicht als Teil von Jugendarbeit ansah. Es war ein zähes Ringen um Akzeptanz. Das hat sich inzwischen geändert, auch dank der BKJ e.V., der Enquetekommission des Deutschen Bundestages, verschiedener Positionspapiere des Städte- und Landkreistages, der Gewichtung, die die kulturelle Bildung im SMWK unter der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange erfahren hat und auch dank der Einrichtung der Netzwerkstellen in den Kulturräumen.
Welche Meilensteine, aber auch Herausforderungen und Hindernisse sind in Erinnerung geblieben?
Die LKJ hat schon in den 90er Jahren das Thema „Jugendarbeit und Schule“ zum Schwerpunktthema erklärt und seit 1996 Projekte mit Schulen durchgeführt. Aus heutiger Sicht waren wir eine Art Vorreiter für ein inzwischen fast alltägliches Miteinander von Schule, Kultureinrichtungen und Jugendhilfe. Mit dem Ziel der Belebung der Jugendarbeit im ländlichen Raum führten wir 1996 den 1. Landesweiten Jugendkulturtag in Oschatz durch, 8 weitere folgten. 1998 schrieben wir den ersten landesweiten Wettbewerb um den Jugendkunstpreis aus. 2008 war Premiere für den Wettbewerb um den Sächsischen Kinderkunstpreis. Kaum jemand erinnert sich mehr mit Blick auf inzwischen 7 erfolgreich durchgeführte Wettbewerbe daran, wie hart wir auch dafür kämpfen mussten. 2001 beteiligten wir uns als eines von 5 Bundesländern mit 25 Freiwilligen am Modellprojekt FSJ Kultur. 2011 nutzten wir die Einführung des BFD, um die Anzahl der Freiwilligenstellen ausbauen und der hohen Nachfrage besser entsprechen zu können. Inzwischen begleiten wir jährlich mehr als 150 Freiwillige in fast 100 Einsatzstellen. In besonderer Erinnerung blieb die Protestkundgebung vor dem Sächsischen Landtag, die die LKJ in Zusammenarbeit mit anderen Trägern im Februar 2010 initiierte. Mehr als 3.500 Teilnehmer waren dem Aufruf gefolgt, um gemeinsam gegen die Kürzungen in der Jugendhilfe zu protestieren. 2013 wurde die LKJ Sachsen e. V. für die mehr als 20jährige erfolgreiche internationale Arbeit mit Polen und Frankreich mit dem Weimarer-Dreieck-Preis ausgezeichnet.
Ich erinnere mich an gefühlt viele dutzende Widersprüche gegen Kürzungen von Fördermitteln, an Klagen vor dem Verwaltungsgericht gegen den Freistaat, um für unsere Rechte und die unserer Zielgruppen zu streiten. Es gab viele schlaflose Nächte, aber auch viel Anerkennung für unsere Arbeit.
Was möchtest du der LKJ aber auch dem Feld der kulturellen Bildung in Sachsen mit auf den Weg geben?
Mut und Stärke hat die LKJ in 25 Jahren immer wieder bewiesen, weil wir eine Vision haben: allen Kindern und Jugendlichen, die es wollen, unabhängig von Wohnort und sozialer Herkunft, kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Es hat lange gedauert, bis die kulturelle Bildung in Sachsen in ihrer Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen – auch als Querschnittsaufgabe im Dreieck Jugend-Kultur-Bildung – anerkannt wurde. 2015 wurde die kulturelle Bildung erstmalig als thematischer Arbeitsschwerpunkt in der Jugendhilfeplanung des Freistaates benannt – das haben wir gefeiert – für den Zeitraum 2021 bis 2025 ist sie es schon wieder nicht mehr. Aber kulturelle Bildung ist keine Mode, sondern Teil der grundständigen Bildung. Auch wenn 2018 das Landeskonzept zur kulturellen Bildung verabschiedet wurde, in dem sehr viele Positionen der LKJ eingeflossen sind, steht seine Umsetzung in großen Teilen noch aus. Die LKJ muss dranbleiben, auch im Bündnis mit anderen Kulturverbänden und den Netzwerkstellen kulturelle Bildung in den Kulturräumen. Ihre Stimme wird gebraucht und muss hörbar bleiben in fachlichen, kultur- und jugendpolitischen Diskursen, sie sollte zu ihren Grundüberzeugungen stehen und für sie streiten. Ein Verband eben, der mit seinen Projekten und seiner Arbeit immer wieder unter Beweis stellt, dass hohe fachliche Ansprüche und Partizipation von Kindern und Jugendlichen zusammengehören und dass sich die Vielfalt der Lebenswirklichkeiten in den Projekten wiederfindet. Die LKJ sollte auch in den nächsten 20 Jahren ein Fachverband bleiben, der für Qualität und Offenheit steht, sich politisch positioniert und handelt, weil er sich für Bildungsgerechtigkeit, kulturelle Vielfalt und Teilhabe und mehr Internationalität in der Jugendarbeit einsetzt.